Samstag, 5. September 2015

Perspektive III = Δ schließt den Kreis



I did my best but, it wasn’t much
I couldn’t feel, so I tried to touch
I’ve told the truth, I didn’t come to fool you
And even though it all went wrong
I’ll stand before the Lord of Song
With nothing on my tongue but Hallelujah

Leonard Cohen - Hallelujah

Eigentlich sollte diese Perspektive-Reihe über mindestens fünf Texte gehen, doch der dritte wollte einfach nicht zusammenkommen, weshalb ich nun vier und fünf in einen Text fasse. Außerdem ist ein Dreieck ein Kreis, also passt es doch ziemlich gut hier den Kreis zu schließen.

Irgendwann in den 90er Jahren an einem Samstagmorgen um sieben Uhr saß ich vor dem Fernseher und schaute mir die X-Men an. Dieser Satz beschreibt glaube ich am besten einen Großteil meiner Kindheit. Spiderman, Wolverine, Batman und Superman, dies waren die Helden, mit denen ich aufgewachsen bin. Doch gab es auch einen Charakter, der nicht annähernd ein Held war, mich jedoch trotzdem immer faszinierte: Edward Nygma alias der Riddler.
Für diejenigen, die den Riddler nicht kennen sollten, er ist einer der Superschurken aus dem DC Universum und ein Erzfeind von Batman. Und wie sein Name schon vermuten lässt, ist er besessen von Rätseln. Und das war ich auch schon immer, daher ist es nicht sehr verwunderlich, dass ich mich so sehr für diesen Charakter begeistern konnte.

Rätsel sind etwas grandioses. Für manche braucht man ne Menge Wissen, für andere muss man einfach nur über einen gewissen Grad an Logik verfügen, was jedoch ein gutes Rätsel ausmacht ist die eindeutige Lösbarkeit, egal wie schwer es ist.

Eines der frühesten Rätsel, die mir begegneten ist das Rätsel der Sphinx in der Ödipus Sage.

Es ist am Morgen vierfüßig, am Mittag zweifüßig, am Abend dreifüßig. Von allen Geschöpfen wechselt es allein mit der Zahl seiner Füße; aber eben wenn es die meisten Füße bewegt, sind Kraft und Schnelligkeit seiner Glieder ihm am geringsten.


Ich habe mir relativ lange den Kopf darüber zerbrochen und fand dennoch keine Lösung, doch sobald mir die Lösung zu dem Rätsel gesagt wurde, war es natürlich sehr logisch, dass dies die einzige Lösung sein kann.

Ein gutes Rätsel zu lösen ist meist sehr schwer. Ein gutes zu stellen ist meistens noch schwerer. Zum lösen eines Rätsels muss man sich meistens von dem wörtlichen Konstrukt lösen und die Hinweise aus einem anderen Winkel oder in einem anderen Licht betrachten. Stellt man aber ein Rätsel, so muss man noch viel mehr machen. Man muss sich in den anderen Menschen hinein versetzen. Man muss versuchen seine Gedankengänge vorher zu sehen und ihm einen Weg beschreiben, der ihm schließlich die Lösung zeigt.
Der (Lösungs)weg kann dabei dem gelben Ziegelsteinweg aus dem Zauberer von Oz gleichen und den Gegenüber gleich zur Lösung führen, so wie der Ziegelsteinweg zur Smaragdstadt führt, er kann aber auch sehr verworren und irreführend sein, so wie das Wunderland in dem sich Alice verirrt.

Liza në botën e çudirave, die Albanische Version von Alice im Wunderland, war eine der Geschichten, die mich damals auf der dreitägigen Busreise nach Deutschland mit begleitet haben und das Wunderland fasziniert mich auch heute noch. So wie Dexter = Rechts, so ist D = R.
Lassen wir die Tür lieber mal geschlossen, bevor die Stimmen wieder die Überhand gewinnen, so wie im letzten Text, auch wenn das Rätsel um Alice so kaum lösbar ist.

Alice war ein Eindringling in einer Welt die perfekt in ihrem Chaos funktioniert hat. Doch sie konnte sich niemals im Wunderland einleben, wollte immer alles verändern. Und am Schluss hat sie alles durcheinander gebracht und es dann einfach verlassen. So kann man das ganze auch sehen. Alice ist schließlich nur eine Geschichte. Man schließt das Buch und alles ist vorbei.

Don't you draw the queen of diamonds, boy
She'll beat you if she's able
You know the queen of hearts is always your best bet
The Eagles - Desperado

Wenn wir ein faires Rätsel nicht lösen können, d.h. ein Rätsel mit einer eindeutigen Lösung, dann liegt es nicht am Rätsel, sondern an uns selbst. Dann sind wir wohl einfach nicht in der Lage den letzten (Gedanken)schritt zu machen und die Lösung zu erkennen.
Genau so wie wir oftmals die Realität nicht erkennen können. Wir sehen nur so viel wie unsere Augen wahrnehmen können und erkennen nur so viel, wie unser Verstand begreifen kann. Während manche einen Zauberwürfel innerhalb von Sekunden lösen können, verzweifeln andere Jahrelang daran. Ist somit das Leben selbst ein großes Rätsel? Schließlich beschäftigen sich doch so viele Menschen mit dem Sinn des Lebens, doch eine eindeutige Antwort hat noch niemand dazu gefunden. Fakt ist jedoch, dass wir das Leben nur so weit wahrnehmen können, wie es uns unsere Sinne und unser Verstand ermöglichen. Und manchmal sind wir dahingehend doch (noch) sehr beschränkt.

“Behold yon miserable creature. That Point is a Being like ourselves, but confined to the non-dimensional Gulf. He is himself his own World, his own Universe; of any other than himself he can form no conception; he knows not Length, nor Breadth, nor Height, for he has had no experience of them; he has no cognizance even of the number Two; nor has he a thought of Plurality, for he is himself his One and All, being really Nothing. Yet mark his perfect self-contentment, and hence learn this lesson, that to be self-contented is to be vile and ignorant, and that to aspire is better than to be blindly and impotently happy.”

Edwin A. Abbott - Flatland: A Romance of Many Dimensions

Und hier schließe ich den Kreis und diese Reihe mit einem sehr kleinen Kreis, der eigentlich kein Kreis ist, sondern ein Punkt. (Punkt)

Sonntag, 14. Juni 2015

Lamtumirë dhe mirë se erdhe

Manche Begegnungen passieren und verschwinden einfach im Fluss der Zeit, andere hinterlassen Spuren, die sich wie Narben durch die Erinnerung ziehen. Manche Begegnungen sind etwas unbeschreiblich intensives, etwas, was man nicht greifen und schon gar nicht richtig definieren kann. Und andere sind wiederum nur der Beginn von etwas einzigartigem; einzigartig schön oder auch einzigartig schmerzvoll. 
Rückblickend scheint mir das hier nur ein großer kosmischer Witz gewesen zu sein, ich möchte es dennoch hier verewigen. 


Lamtumirë dhe mirë se erdhe

E gjithë kjo punë që mu duk aq e madhe
Nuk ishte gjë tjeter veçse rrymë elektrostatike
U zbraz në një çast të vetëm dhe humbi
Një moment obsolet në planin e madh kosmik

Çdo gjë ka fundin e saj, këtë gjithmonë e dija
Por disa gjëra thjesht nuk eksistojnë edhe pse të duken reale
Ëndrat mbesin ëndra, iluzionet janë iluzione
Mendja dhe dëshira smund ta ndryshojnë realitetin

Ti ma tregove madheshtinë time
Nje qenie prej drite nga një tjetër botë
U ndjeva si profet me një shpallje hyjnore
Por ishte thjesht mendja ime djallëzore

Tasht po kthehem ngadalë në tokë
Po zbres nga ato sferat e larta
Mund ta shihja gjithe botën por prap më kufizonin
Kjo është natyra e sferës

Mjaft më me rrathë dhe trekëndësha
Mjaft më me pika kyqe ne vija kohore
Jeta ska vend për matematikë
Pra pse të mundohem të llogarisë çdo gjë

Unë ta dhash zemrën time
Dhe ti ma ktheve për të më mbrojtur
Është gjë që se kuptoj dot
Por ndoshta çdo gjë sduhet të ketë kuptim

Tani shko, ik, fluturo
Gjeje atë që je duke kërkuar
Falja dikujt atë që kërkoja dhe unë
Dhe behu e lumtur me atë që do kesh

Por nëse rruga është e veshtirë
Nëse mbetesh në baltë dhe ske rrugëdalje
Drejtohu tek unë, mirë se vjen
Do ta jap dorën dhe do të nxjër nga çdo fatkeqësie

Të falenderoj për gjithë lumturinë dhe gjithë dhimbjen
Të falenderoj për atë puthje që përfundoi çdo gjë
Të falenderoj që me lejove të të dashuroj
Të falenderoj që më bëre të shkoj

Dhe këtu të leshoj
Udha e mbarë të qoftë
Sundoje këtë botë

Dhe kurrë mos u kthe mbrapa

Long Live the King

Long Live the King

You know there’s something wrong with you when you’re kneeling in front of the porcelain throne in the middle of the night. Kneeling there, praying and trying to get it all out, get all those black, smelly fluids out of your System. That poison that’s slowly liquefying your insides and gnawing at your very soul.

And now it’s time. You close your eyes and embrace the inevitable. You open your mouth; you breathe in that cool, purified and cleaned air; your grip tightens around that cold, smooth surface; you feel your stomach convulsing, trying to turn inside out.

Now’s the moment you feared. Now’s the moment you longed for.

You know that all that pain will go away, all that poison will be washed out into some far away ocean. You bend over. Now’s the time to get it all out.

Nothing.

Nothing gets out, but hot, foul tasting air.

Warm tears run down your cheeks. You’ve lost the fight. Slowly you get up on your feet, trembling. You walk over to your bed as another wave of pain washes through your body.

You lay down, close your eyes and embrace the inevitable.


Now’s the moment you feared. Now’s the moment you longed for. A last painful convulsion and you’re out. You feel the cold winter air and you can smell the salt in it as you make your way to that far away ocean.


[That's the result of being sick and writing at 2:30 am]

Montag, 16. März 2015

puɐʃɹǝpunM ɯı ǝɔıʃ∀ - ǝʌıʇʞǝdsɹǝԀ || Perspektive - Alice im Wunderland



Hallo Alice. Ja ich weiß, das ist nicht dein Name, aber er ist so gut wie jeder andere. Außerdem haben wir keine Zeit uns hier über Namen zu unterhalten. Wir müssen los. Immer weiter und weiter. Unaufhaltsam. Tick tack, tick tack. Bist du bereit mit mir zu kommen, Alice? Bereit hinter den Spiegel zu treten und in die tiefsten Tiefen des Hasenbaus vorzudringen? Dann schnall dich lieber nicht an, sonst kommst du ja nicht voran. Und denk immer daran, wir haben keine Zeit.

Alles was wir haben ist Zeit. Zeit ist unsere Währung. Zeit ist Geld. Zeit ist relativ. „Bei der Zeit, wahrlich, der Mensch ist im Verlust.“ Was ist eigentlich Zeit? Für diese Frage haben wir auch keine Zeit! Zeit ist einfach da. Wir werden von ihr mitgerissen, mehr brauchst du nicht wissen, kleine Alice. Manchmal fließt sie schneller, manchmal langsamer. Manchmal erscheint uns ein Jahr wie zwei Tage und nur eine Nacht wie eine Unendlichkeit. Erinnerst du dich an diese Nächte, Alice? Erinnerst du dich an die Stunden die wie Sekunden vergingen und die Sekunden die länger als Jahrzehnte andauerten. tick Ich kann mich noch daran erinnern. tack Alles vorbei. 
Weiter, weiter, wir haben keine Zeit.

Mach die Augen auf, Alice! Schau dich um. Siehst du es? Erkennst du es? Sieh in den Spiegel! Und nein hab keine Angst, denn das was du siehst, das bist du wirklich. Berühr ruhig die kalte, glatte Oberfläche, wenn du es nicht lassen kannst. Aber was du auf jeden Fall tun solltest ist hineinschauen. Was siehst du? Liar, liar, pants on fire Ich sage es dir, du siehst dich selbst. Siehst dich durch die Zeit hindurch. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, alles verschwommen in einem einzigen Bild, in einer einzigen Reflektion. Hört endlich auf mit den verdammten Anagrammen! Gefällt dir, was du siehst? Mr. Chichi Rime ,Whaler Denk an jeden erdenklichen Augenblick zurück und du wirst ihn sehen können. Ich sagte hört auf damit! Ein kleines Kind, was tut es, Alice? Spielen? Tanzen und singen? Es spielt keine Rolle, es ist Vergangenheit. Lichee Bighead, Bitch Der graue Nebel? Das müsste deine Zukunft sein, sieh doch genauer hin. Man erkennt nur eine leichte Silhouette, so ist das halt mit der Zukunft. Hast du Angst, Alice? Was soll das überhaupt bedeuten? Wer sind diese Leute? Hab keine Angst vor der Zukunft. Es wird eh nichts daran ändern. Thud Schmaltzier, Vet Sieh lieber auf dein jetzt und das, was davor lag. Du hast Fehler gemacht, oder? Den kenne ich tatsächlich, ein sehr guter Freund von mir Dein Spiegelbild weint, warum tust du es nicht? Weißt du etwa nicht, was geschehen ist? Less Childbirth Seizure Du solltest es wissen. Schau in den Spiegel, schau in dich selbst. So langsam wird es absurd, aber ihr habt recht Sei ehrlich zu dir selbst. Wir müssen tiefer. Wir haben keine Zeit.

Warst du schon einmal in einem Zoo, Alice? All diese Tiere, eingesperrt zum Vergnügen anderer Tiere. Artenschutz. Forschung. Artgerechte Haltung. Gefängnisse sage ich dir, nichts weiter als Gefängnisse. Aber vielleicht auch ein Sicherer Ort. Ein Schutz vor dem schlimmsten aller Raubtiere. Ein Schutz vor dem Menschen. Der Mensch schützt die Tiere vor sich selbst. Ist das unsere Bestimmung? Müssen wir immer andere vor uns selbst schützen?
Ich war einmal in einem Zoo. Damals als die Sonne noch schien und ich noch Hüte getragen habe. Damals, als ich noch lächeln konnte. Ich kann auch jetzt lächeln, so ist es nicht, aber damals, damals war es sorgenfrei. Damals. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Ich stand bei den Orang Utans. Und da saß dieser riesige alte Affe und schaute zu mir hinüber. Ich ging auf ihn zu und stellte mich vor ihn. Nur eine Glasscheibe trennte uns voneinander. Ich schaute ihm in die Augen und er schaute in meine und wir beide hoben eine Hand und legten sie an das kalte, glatte Glas. Im Nachhinein fragte ich mich, wer eigentlich wen beobachtet hat.

Tick tack, Alice. Die Zeit ist uns ständig im Nacken. Doch hab keine Angst. Angst brauchen wir hier im Wunderland nicht. Angst lässt uns nur Fehler begehen und falsche Entscheidungen treffen. Angst. Ich dachte wenn mein Leben auf dem Spiel stünde, sollte ich Angst verspüren. Doch als die Herzkönigin meinen Kopf haben wollte, als ich dort auf dem Boden lag mit einem Beil über meinem Nacken, da streckte ich die Hand nach ihr aus. Nein, keine Angst. Angst verspüren wir nicht bei schlechten Sachen, wie auch, wo das doch unsere Natur zu sein scheint. Hier im Wunderland sind wir nicht alle verrückt, wir sind einfach nur schlecht. Wenn uns schlechtes widerfährt, dann können wir es bis ins kleinste Detail verstehen. Es wird berechenbar. Nein, Angst verspüren wir bei den guten Sachen. Wir haben Angst davor, wenn uns jemand Hilft, weil wir nicht wissen können, was er dafür von uns verlangen wird. Wir haben Angst davor, wenn jemand ehrlich zu uns ist, weil wir es   nicht glauben können. Wir haben Angst, wenn auf einmal jemand vor uns steht, der tatsächlich nur für uns da ist. Verstehst du das? Man kann alle Sachen in diesem Leben mit einer Absicht machen, mit einem eigenen Gewinn koppeln. Aber es soll tatsächlich auch selbstlose Menschen geben. Glaubst du das, Alice? Es soll Menschen geben, die einem Helfen ohne etwas dafür zu erwarten. Diese Menschen mögen wir nicht, denn sie erscheinen uns nicht glaubhaft, nicht real. Nein, nein, wir verurteilen lieber alle Menschen. In unseren Augen ist jeder Mensch schuldig eigennützige Absichten zu haben. Und wenn der Hammer erst einmal gefallen ist, nun ja, ab mit dem Kopf!
Ja so ist das mit der Angst. Ich habe Angst vor dem Meer. Habe Angst davor weit und breit kein Land zu sehen und unter mir diese endlose Tiefe zu haben. Und doch habe ich keine Angst vor dem Himmel. Ich schaue nachts hinauf in diese endlose Weite und bin fasziniert davon. Angst.
Wovor hast du Angst, Alice?

Ah, distinctly I remember it was in the bleak December,
And each separate dying ember wrought its ghost upon the floor.
Eagerly I wished the morrow; - vainly I had sought to borrow
From my books surcease of sorrow - sorrow for the lost Lenore -
For the rare and radiant maiden whom the angels name Lenore -
Nameless here for evermore.

Du hast eine kleine Narbe am Rücken, Alice, ich habe es geliebt sie zu berühren, sie mit dem Finger zu streicheln und sie zu küssen. Manchmal brauchen wir nur etwas Kleines um uns der Realität bewusst zu sein. Dies ist meine Kleinigkeit.
Realität. Schönes Wort. Schönes Konzept. Aber am Schluss erweist sie sich doch als etwas Subjektives. Etwas, das niemals ultimativ sein kann. Es sei denn, wir haben einen ultimativen Betrachter, Alice, einen Beobachter über Raum und Zeit, allwissend und allmächtig. Dann hätten wir auch die ultimative Realität, die ultimative Wahrheit.

Zeit aufzuwachen kleine Alice. Zeit das Wunderland zu verlassen. Deine Metamorphose ist abgeschlossen, du warst die Königin der Herzen und hast dich in die Herzkönigin verwandelt. „Ab mit dem Kopf!“ Ich hoffe du bist glücklich mit dem Ausgang. Ich? Ich werde langsam verschwinden. Mich langsam in Luft auflösen, aber keine Sorge, vielleicht bleibt ja mein Grinsen für dich zurück. Und wenn nicht das, dann lasse ich dir wenigstens ein Lächeln da.


Leb wohl Alice!

Freitag, 27. Februar 2015

Pɘɹspeʞtivɘ



Ich hatte einen Traum. Ich stand auf einer Wiese in einer klaren Sommernacht und schaute in den Himmel.


Es ist erstaunlich wie sehr die Sichtweise auf bestimmte Dinge von Mensch zu Mensch variieren kann. Schaut eine Gruppe von Menschen nachts in den Sternenhimmel, so wird jeder einzelne von ihnen etwas anderes darin sehen. Der eine erfasst die Schönheit des ganzen Himmels, wohingegen sich der andere in die Details der Mondoberfläche verliert. Einer sucht gezielt nach dem Mars, der sich rot leuchtend am Horizont erhebt und ein anderer geht nach und nach alle Sternbilder ab, die er kennt. Und fragt man diese Personen im nachhinein, was sie gesehen haben, so werden alle von etwas anderem Berichten.

Wir nehmen die Welt mit unseren Sinnesorganen wahr. Wir sehen, hören, schmecken und fühlen die Beschaffenheit aller Dinge, doch was passiert wirklich, wenn wir z.B. einen roten Buntstift sehen. Licht trifft auf den Buntstift auf und ein Teil davon wird absorbiert, wohingegen ein anderer Teil, in diesem Fall rot, reflektiert wird. Dieses Licht nehmen wir nun über das Auge auf, dabei passiert es die Linse, wo seine Orientierung umgekehrt wird und trifft dann, quasi kopfüber, auf die Netzhaut auf. Hier wird dieses Licht basierend auf Eigenschaften wie Wellenlänge und Intensität in elektrische Signale umgewandelt, die über den Sehnerv zum Gehirn landen, wo dann die Daten interpretiert werden und wir den Stift als solchen erkennen. 
Somit ist alles, was wir sehen das Ergebnis der im Gehirn prozessierten Rohdaten, die über den oben beschriebenen Weg dorthin gelangen. Wie aber weiß das Gehirn, wie eine bestimmte Farbe auszusehen hat? Wir lernen die Farben schon in unserer Kindheit. Rot, Blau, Grün, Gelb. Und egal wo man auch hingeht, jede Farbe wird immer als diese erkannt werden. Doch kann man sich hier sicher sein, dass die Farbe, die ich sehe auch für jemand anderen so aussieht? Was für mich Rot ist, kann für jemand anderen Grün erscheinen, er kennt es jedoch als Rot und wird auch Rot dazu sagen. Schließlich ist all das was wir sehen lediglich die Interpretation in unserem Gehirn.


Man konnte die gesamte Milchstraße sehen und es erfüllte mich mit Freude.


Was bei einer einfachen Farbe so kompliziert ist, wird bei Betrachtung von komplexeren Sachverhalten noch viel schwerer. Bleiben wir erstmal nur beim Sehen. Wir schauen in einen Spiegel. Wir sehen uns selbst. In Wirklichkeit sehen wir unsere Reflexion. Spiegelverkehrt. Links ist für mein Spiegel-Ich Rechts. Und sein Linkst ist mein Rechts. Hier wird die Richtung des Lichtes umgekehrt. Und obwohl alles umgekehrt ist, erkennt man sich dennoch im Spiegel wieder. So wie man sich selbst auch auf Fotos wiedererkennen würde, auch wenn hier die Darstellung im Vergleich zum Spiegel wieder eine andere Richtung hat. Dem Gehirn ist dies jedoch relativ egal und in beiden Fällen erkennt man sich selbst.

Interpretation der Eindrücke. Doch wie genau läuft diese Interpretation ab und kann sie in irgendeiner Weise beeinflusst werden? Und daraus resultiert letztendlich die Frage, was denn dann die Wirklichkeit ist.

Albert Hofmann, der Entdecker des LSD schreibt hierzu in seinem Buch LSD-mein Sorgenkind folgendes: "Die wichtigsten Erkenntnisse, die ich aus den LSD-Versuchen gewann, sind Einsichten in das Wesen der Wirklichkeit. Bis dahin hatte ich geglaubt, dass es nur ein einziges wahres Bild der Welt, das, was man als die »Wirklichkeit« bezeichnet, gäbe. Die Erfahrungen im LSD-Rausch, in dem fremde Welten als ebenso wirklich erlebt werden wie die Alltagswirklichkeit, zeigten, dass die Wirklichkeit keineswegs etwas Absolutes, Feststehendes ist, sondern dass ihr Bild und Erleben durch einen veränderten Bewusstseinszustand des Betrachters verändert werden."

Alles kann auf diese Wahrnehmung Einfluss nehmen, seien es Erfahrungen, irgendwelche Substanzen, ja sogar unsere Ängste. Ein depressiver Mensch wird überwiegend das Negative potenzieren, wohingegen ein frisch verliebter überall nur Blumen und Regenbögen sehen wird. Und damit wir jemand anderem klar machen können, was wir denn für uns als Wirklichkeit erkennen, bedienen wir uns einem sehr praktischen Werkzeug. Der Sprache.


Ich drehte mich um und rief: "Sieh mal!"


"Ich habe einen roten Stift in der Hand." Diese Aussage ist sehr leicht zu bestätigen, man schaut auf die Hand und erkennt einen roten Stift. Doch wie sieht es aus mit abstrakten Ideen. "Der DAX ist heute um 1,4% gefallen." Im Hintergrund erkenne ich einen tollen Graphen, aus dem ich als Laie aber nicht unbedingt schlau werde, dennoch glaube ich mal dem Kerl im Fernseher, weil er einen schönen Anzug trägt und zu wissen scheint, was er da sagt. 
Aber was ist wenn plötzlich eine Person vor uns steht und drei ganz bestimmte Worte sagt? "Ich liebe dich!" Jetzt wird es schwer. Jetzt sehen wir weder eine Farbe noch eine schöne Grafik. Jetzt sprechen wir über ein Gefühl. Liebe. Unser Herz schlägt schneller, unsere Beine zittern. Und was zur Hölle ist dieses Gefühl in der Magengrube? Ich spüre es, kann es dennoch nicht messen. Doch es treibt mich an meinen ganzen Mut zusammen zu nehmen und diese Worte zu sagen.
Und was wir für diese Liebe nicht alles tun können. Wir besteigen Berge für sie. Legen hunderte, sogar tausende Kilometer zurück. Geben vielleicht sogar unser Leben dafür. Doch was jemand aus reiner und aufrichtiger Liebe tut, erscheint für einen außenstehenden vielleicht als Obsession. Es ist das schönste ganze Nächte wach auf einer Wiese zu liegen und sich zu unterhalten; es ist krankhaft jeden Tag mit nur zwei Stunden Schlaf aus zu kommen. Man kann nicht oft genug zu den Menschen fahren, die einem am Herzen liegen; mit dem ganzen Geld könnte man sich eine Menge neuer Sachen zulegen. Man verschenkt Teile von Sich, Sachen die für einen selbst sehr viel Bedeutung und Geschichte haben; für den anderen ist es nur wertloser Müll.
Alles hat mindestens zwei Seiten, die eigene Sicht der Dinge und die Sicht des Beobachters. Jeder für sich weiß, was seine Wirklichkeit ist, doch so macht sich auch jeder außenstehende ein Bild seiner Realität. Ist das Dreieck oben schwarz oder weiß? Welcher Teil bin ich, welcher Teil ist der Beobachter. Was wenn meine Wirklichkeit plötzlich dementiert wird? Was wenn das, was ich erlebt und getan habe plötzlich von dritten wiederlegt oder geleugnet wird? Wenn einem Beweise aufgezeigt werden, dass die eigene Wirklichkeit gar nicht so ist? Oder wenn es am Schluss Aussage gegen Aussage steht? Was wenn man unterstellt bekommt, dass man unter Realitätsverlust leidet? Wie will man versuchen die anderen vom Gegenteil zu überzeugen?
Gibt es nicht oft genug fälle von Menschen, die unschuldig verurteilt wurden, nur weil alle vorliegenden Beweise gegen sie sprachen. Wie verhält man sich in so einer Situation als Angeklagter, wie als Kläger? Auch Logik hat seine Grenzen. Manchmal erkennt man Sachverhalte intuitiv sofort und zerstört dann diese Erkenntnis durch logische Trugschlüsse. Wie zeige ich jemandem, was ich tatsächlich in meinem Innersten habe, wenn ich mich nur sowas beschränktem wie Sprache bedienen kann?

Jeder für sich muss mit sich selbst ehrlich bleiben. Jeder muss vertrauen in seine eigene Sichtweise der Dinge haben und sich danach richten. Denn übernimmt man erst einmal die Sicht eines Außenstehenden als seine eigene Wirklichkeit, kann es schnell passieren, dass einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Vertrauen. Vertrauen in die eigene Wirklichkeit und Vertrauen auf die Sicht anderer. Beides muss in Harmonie sein, damit man der Wirklichkeit am nächsten kommen kann. Und jeder für sich sollte offen bleiben für die Sicht anderer, sodass es nicht dazu kommt, dass man plötzlich verurteilt wird für etwas, was nicht Wirklichkeit ist. Manchmal spüren wir die Wirklichkeit intuitiv und können sie gar nicht erst logisch erfassen.

"The intuitive mind is a sacred gift and the rational mind is a faithful servant. We have created a society that honors the servant and has forgotten the gift." - Albert Einstein



Und da stand sie, barfuß, in einem weißen Sommerkleid. Sie schaute mich an und ihr Lächeln überstrahlte das Licht der Sterne.

Donnerstag, 8. Januar 2015

Charlie Hebdo


When will humanity finally learn the true value of life?

#JeSuisCharlie
#CharlieHebdo