Freitag, 7. Oktober 2016

Asphalt


Nachts gehört die Straße mir.

Tagsüber sind alle möglichen Menschen mit mir unterwegs. Taxifahrer, Männer und Frauen in ihren Businessanzügen, Blondinen in roten und silbernen Sportwagen, bärtige LKW-Fahrer, alte Menschen in noch älteren Fahrzeugen, hier und da ein Motorrad und jede menge Bauarbeiter.

Doch sobald die Sonne untergeht, sobald es dunkel wird, gehört sie nur mir.

Die Welt besteht nur noch aus Finsternis. Eine undurchdringbare Schwärze, die dann doch durchbrochen wird, von tausenden Lichtern, weiß und rot und gelb. Und all diese Menschen die mich begleitet haben verschwinden, werden kleine, anonyme Lichtquellen die an mir vorbeiziehen. Die gesamte Welt schrumpft und besteht nur noch aus meinem Wageninneren und dem Teil der Straße, der sich in meinem Scheinwerferlicht befindet. Meine Straße.

Hunderte oder gar tausende Lichter ziehen an mir vorbei. Andere Scheinwerfer, beleuchtete Schilder, die zwei goldenen Bögen die Oasen voll Fett und Zucker versprechen, doch das einzige was überhaupt meine Aufmerksamkeit erregt ist das leuchtende Abbild Orions am Sternenhimmel, das unentwegt vor mir über der Straße schwebt.

Und hinter mir nur Dunkelheit. Ein schwarzes Loch. Ich spüre, wie es nach mir ruft und zerrt und ich würde am liebsten gleich wieder umdrehen und hineinfahren ins Ungewisse.

Ich fahre weiter geradeaus über die Straße, und merke erst jetzt wie viel Zeit vergangen ist. Etliche Stunden können einem nur wie fünf Minuten vorkommen, wenn man diesen gewaltigen kräften ausgesetzt ist. Und wie viel Zeit habe ich schon auf diesen Straßen verbracht?

Es ziehen unbekannte Städte an mir vorbei und erinnern mich an die Zeit, wo ich, so wie heute, durch ganz andere Ecken dieser Welt gefahren bin. Damals bin ich weggelaufen, auch wenn es mir nicht so vorgekommen ist. Dieses Mal bewege ich mich nur. Wohin, weiß ich selbst nicht so genau. Hauptsache erst einmal zurück. Orion folgen. Klar werden.

Heute schaue ich nicht nach Sternschnuppen im Himmel. Heute habe ich keine Wünsche mehr, die werden erst in den nächsten Tagen kommen.

Nachts gehört die Straße mir, doch sie ist ein kalter und einsamer Ort.

Und mir bleibt vorerst nichts anderes.