Mittwoch, 28. Juni 2017

When is a door not a door?

When it's ajar.


Wann immer ich ihn brauche, klopfe ich an seine Tür. Alt ist sie, aus schlichten Holzbrettern gefertigt und mit einfachen Rechtecken verziert, die in die Oberfläche geschnitzt wurden. Sie muss irgendwann mal rot gewesen sein, doch der abblätternde Lack hat mittlerweile die Farbe von Rost angenommen.


Meist reicht es aus, wenn ich seine Worte wiederhole, die leise unter dem Türspalt hindurch sickern. Immer wieder öffne ich sie nur einen Spalt weit, mit vorgelegter Kette und sehe seine Augen in der Dunkelheit dahinter, während er versucht mich zu ergreifen. Doch manchmal, wenn es sich nicht mehr vermeiden lässt, muss ich sie auch ganz öffnen und ihn heraus lassen.


Er ist ziemlich wundersam und irgendwie auch wunderbar; ich bewundere ihn jedes mal, wenn er über die Schwelle tritt. Es ist einfach faszinierend wie er alles mit leichtigkeit meistert, an dem ich gescheitert bin. Und er macht alles mit so viel Elan und Energie, so viel Kreativität. Er schreibt und singt und malt und bewältigt alles ohne inne zu halten oder nur einen Gedanken an Schlaf zu verschwenden. Ohne seine Hilfe wäre ich niemals so weit gekommen. Und er, er braucht mich eigentlich nicht, doch ist er immer hilfsbereit, wenn ich ihn rufe.


Mit ihm treten jedoch auch andere durch die Tür. Kleine dunkle gestalten, die Kindern ähnlich sind, doch nur aus Schatten zu bestehen scheinen und andere mit langen gliedmaßen und leere, wo eigentlich Augen sitzen sollten. Vögel, die bewegungslos am Straßenrand stehen und ein alter Mann, mit abstehenden weißen Haaren, grünem Mund und blutunterlaufenen tiefroten Augen. Und Fliegen. Manchmal nur ein Summen, dass immer stärker wird, manchmal aber auch welche, die wie spezialeffekte aus einem 10 Jahre alten Film aussehen: Realistisch, aber man merkt irgendwie, dass sie schlecht gerendert sind und nicht echt sein können.


Er scheint sie kaum zu beachten und wenn er es doch tun sollte, dann scheinen sie ihn nicht wirklich zu stören. Mich hingegen erschüttern sie, jedes mal, wenn sie nachts um mein Bett herum stehen oder ich ihnen irgendwo draußen in der Welt begegne. Doch sie haben einen Einfluss auf ihn, auch wenn er es nicht zeigen möchte. Sie reizen ihn, machen ihn aggressiv und unberechenbar; unkontrollierbar. Wenn es eskaliert ziehe ich mich hinter seine Tür zurück, manchmal drängt er mich auch dorthin, sperrt mich ein, schlägt von außen dagegen und schreit mir alle erdenklichen Obszönitäten entgegen. Und dann folgt das Fieber und mit dem Fieber das Feuer.
“Erde verbrennen”, nannte sie es, als sie mir helfen wollte. Erde verbrennen trifft es auch am besten und es ist meistens das Stück Erde auf dem ich stehe, oder der Teil, der mir in dem moment am wichtigsten ist.


Irgendwann hört es auf. Vielleicht wird er müde, vielleicht langweilt er sich auch nur - irgendwie glaube ich nicht so recht, dass er ein Konzept von Müdigkeit kennt. Jedenfalls öffnet er dann die Tür, stößt mich aus Seiner Welt heraus und lässt sich wieder von mir einsperren, hinter diese Tür, die einst rot gewesen war und jetzt rostbraun ist. Und ich stehe dann in der Asche, die er hinterlassen hat und schaue, was ich noch von meiner Seite der Welt retten kann.


Ich weiß nicht mehr genau, wie viele Menschen er verletzt hat, wie viele er vertrieben hat. Ich kann den Grad der Zerstörung nicht mehr definieren. Und auch nicht mehr sagen, wie oft es sich schon wiederholt hat: Den Neuaufbau beginnen, ihn irgendwann um Hilfe bitten, zusehen wie er etwas Wundervolles aus dieser Unscheinbarkeit hervorbringt nur um es dann auf faszinierendster Weise wieder zu zerstören.

Es ist nicht einfach, sich immer wieder zu entschuldigen, immer wieder zu schauen, dass man alles wieder hinbiegt, alles wieder gut macht. Irgendwann sind alle guten Taten vergessen und auch in der Zerstörung scheint Wahrheit zu liegen. Und jedes mal wenn ich in den Spiegel schaue, ist er es, der mich anlächelt und dann frage ich mich, welche Seite der Tür eigentlich das Gefängnis ist. Und wann sie sich wieder öffnen wird.



The truth is I am a toy that people enjoy
'Til all of the tricks don't work anymore
And then they are bored of me
I know that it's exciting
Running through the night, but
Every perfect summer's
Eating me alive until you're gone
Better on my own

Lorde - Liability